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AutorenbildIda Katnic

Sher'Neil Savel und die Township-Kinder

Motiviert durch die Leidenschaft für das Surfen haben Sher'Neil und ihr Mann Nigel Savel das Hilfsprojekt “9Miles” vor sieben Jahren gegründet. Die Vision: Die von Kriminalität und Drogen geplagte Gemeinde in Strandfontein u.a. durch Sport nachhaltig zu verbessern.


Derzeit sind 22 Mitarbeiter und Freiwillige des 9MilesProjects in den informellen Siedlungen „7de Laan“, „Oppermans Oord“, „Masincedane in Strandfontein und in einer Stadtmission in Kapstadt unterwegs. Sie helfen, wo es am nötigsten ist. „Wir arbeiten mit gemeinnützigen Organisationen der lokalen Gemeinden wie „HOSA“, „HandsandFeet“ und „Lace up for Change“ zusammen, um für die vier Gemeinden täglich Mahlzeiten bereitzustellen”, erzählt Sher'Neil Savel. Die informellen Siedlungen seien sowas wie Townships. Genauer gesagt, Gemeinschaften aus Hüttenwohnungen - kleinere Ansiedlungen bis hin zu größeren Towships. Sher'Neil ist regelmäßig selbst vor Ort und steht mit ihren Mitarbeitern in engem Kontakt.


1. Wie arbeitest Du jetzt während der Corona-Krise im Vergleich zu vorher?

Normalerweise führen wir Jugend- und Gemeindeprogramme wie Surf-Therapie und Alphabetisierungskurse durch. Die Kombination von Surfen, Ausbildung von Lebenskompetenzen und Mentoring stärkt das Selbstwertgefühl und entwickelt bei den Kindern und Jugendlichen eine zielorientierte Denkweise. Aber diese Programme sind derzeit auf Eis gelegt, weil sich das Land in Level 3 des Lockdowns befindet.

Wir versorgen jetzt alle mit Essen. Schon vor der Krise haben wie die Kinder mit Essen versorgt, doch als die Corona-Pandemie begann und viele Industriezweige zum Erliegen kamen, konnten viele Gemeindemitglieder kein Geld mehr verdienen. Viele leben nach dem Prinzip „keine Arbeit, kein Lohn“. Deshalb beschlossen wir, unsere Hilfe auf die kompletten Gemeinden auszuweiten. Wir wollten sicherstellen, dass niemand hungrig zu Bett gehen muss und die Schwächsten in dieser Zeit gesund und sicher sind. Die Essensverteilung läuft jetzt an sieben Tagen die Woche. Wir versorgen 1.000 Menschen mit zwei Mahlzeiten pro Tag.

Sher'Neil ist regelmäßig in unterschiedlichen informellen Siedlungen im Einsatz
Sher'Neil ist regelmäßig in unterschiedlichen informellen Siedlungen im Einsatz

2. Wie sieht das konkret aus?

Wir haben Mitarbeiter für verschiedene Bereiche. Das Verpflegungsteam plant wöchentlich Menüs, kauft Vorräte ein, sichert Lebensmittelspenden und bereitet Mahlzeiten in 80-Liter-Töpfen zu. Die Vorräte werden zentral gelagert. Wir liefern sie an die Mitglieder der anderen NGOs (Nichtregierungsorganisationen) aus. So können sie für die verschiedenen Gemeinden kochen. Das Frühstück wird um 9 Uhr, das Abendessen um 15 Uhr ausgegeben. Andere kümmern sich um die Spenden und den Ablauf der Versorgung. Unser Einsatzteam analysiert die Bedürfnisse der Gemeinde und wertet sie aus. Anhand der Informationen weiss das Team, wohin welche Gegenstände, Kleidung und Lebensmittelpakete ausgeliefert werden müssen. Andere Mitarbeiter sind im Büro. Sie verwalten unter anderem die Finanzen wie die Spendeneingänge, kümmern sich um die sozialen Medien.


3. Mit welchen Problemen sind die Menschen im Township konfrontiert?

In den Townships herrschen Armut, soziale Probleme und Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die einen Job haben, arbeiten nach dem Prinzip „keine Arbeit, keine Bezahlung“. Während der Abriegelung können sie nicht arbeiten. Sie sind also nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Arbeitslosenquote ist hoch. Die meisten Bewohner leben von sozialen Zuschüssen und sind von wohltätigen Organisationen abhängig. Dazu kommen jede Menge sozialer Probleme wie Teenagerschwangerschaften, häusliche Gewalt und Missbrauch. Gefährdete Jugendliche haben keinen Zugang zu kostenlosen, sicheren, strukturierten Programmen, die positive Freizeitaktivitäten und Lernmöglichkeiten bieten.

Eine der vielen informellen Siedlungen nahe Strandfontein
Eine der vielen informellen Siedlungen nahe Strandfontein

4. Sind Kinder besonders betroffen?

Die Kinder in unseren Gemeinden sind am meisten betroffen, weil sie nicht viel zum Leben haben. Wir betreue Kinder zwischen 10 und 19 Jahren. Die Jüngeren gehen nicht zur Schule und sind den ganzen Tag zu Hause, umgeben von schlechten Einflüssen und sozialen Problemen. Einige Schulen im Western Cape haben zwar seit dem 1. Juni offiziell wieder geöffnet, aber viele Eltern haben beschlossen, die Kinder nicht hinzuschicken. Sie haben Angst und vertrauen ihren Kindern nicht, mit den Maßnahmen, wie der sozialen Distanzierung zurechtzukommen. Daher sind viele Kinder noch zu Hause. Sie haben meist keine Grünflächen zum Spielen oder Platz, sich zurück zu ziehen. Die beengten Lebensbedingungen machen eine soziale Distanzierung praktisch unmöglich. Bei jedem Kind wird die Möglichkeit auf zunehmenden Missbrauch und Vernachlässigung größer. Einsamkeit und Depressionen stellen ebenfalls eine Bedrohung dar. Sie haben keinen Zugang zu einer psychosozialen Unterstützung, die sie normalerweise in Programmen wie unseren haben.


5. Von was leben die Menschen?

Die meisten Menschen leben von sozialen Zuschüssen, informellen Jobs wie dem Betrieb kleiner informeller Haushaltsgeschäfte oder der Unterstützung von Einzelpersonen und Gemeindeorganisationen.

Wir versorgen 1.000 Menschen mit zwei Mahlzeiten pro Tag.

6. Was fehlt ihnen außer Nahrung am meisten?

Was ihnen fehlt sind Arbeitsplätze und vor allem Geld für Dinge wie Gas und Elektrizität, warme Winterkleidung und Gegenstände zur Isolierung ihrer Häuser. Der Winter kommt und die Häuser aus einfachen Holzbrettern sind oft undicht.


7. Wie ist die Stimmung in den Townships?

Abgesehen von den sozialen Anspannungen und der zunehmenden häuslichen Gewalt durch die Krise, sind die Gemeinden, die wir in Strandfontein betreuen, friedlich und stabil. Wahrscheinlich deshalb, weil sie die notwenige Unterstützung erhalten. Es gibt aber auch Gebiete in der Stadt und auf dem Land, in denen Unruhe herrscht, weil Hunger und Verzweiflung zunehmen und die notwendige soziale Unterstützung nicht gegeben ist. Es gibt Vorfälle von Plünderungen von Geschäften und Lieferwagen.


8. Gibt es in den Townships medizinische Hilfe?

Wir haben örtliche Kliniken, Krankenhäuser und Teststationen. Bestimmte Orte wie zum Beispiel das Internationale Konferenzzentrum ist als Quarantäne- und COVID-19-Behandlungszentrum eingerichtet worden. Es wurden bis heute 1000 Beschäftigte des öffentlichen Gesundheitswesens im gesamten Western Cape positiv getestet. Im Gesundheitssektor gab es sechs Todesfälle.


9. Könnte es schlimmer werden?

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Infektionsrate ansteigen könnte, wenn mehr Menschen zur Arbeit zurückkehren und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass die Situation eingedämmt wird und wir einen Rückgang und dann die Ausrottung des Virus erleben werden. Die langfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze sind schwer vorherzusehen. Die Südafrikaner als Nation sind widerstandsfähig und einfallsreich. Wir bleiben zuversichtlich und positiv.

Sher'Neil ist stets zuversichtlich und positiv
Sher'Neil ist stets zuversichtlich. Das positive Feedback auf ihre Arbeit ist überwältigend.

10. Gibt es in den Townships etwas Positives?

Ja, die Großzügigkeit von Einzelpersonen und Organisationen. Sie organisieren Lebensmittelpakete, Verpflegungsstationen und Suppenküchen als Reaktion auf die wachsende Hungerskrise. Das ist sehr herzerwärmend und ermutigend. Und auch das positive Feedback auf unsere Arbeit selbst ist überwältigend.


11. Wie gehst Du persönlich mit der Situation um?

Ich bleibe positiv und lache auch mal. Dann bete ich aber auch und verbringe viel Zeit mit meinem Mann und meiner acht Monate alten Tochter.


12. Was hoffst Du?

Wir hoffen und vertrauen darauf, dass wir in der Lage sein werden, unsere Nahrungsmittelprogramme mit kontinuierlichen Spenden und Aufrufen von privater und öffentlicher Unterstützung aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig suchen wir nach alternativen Wegen, die Gemeinden nachhaltig auszurüsten und zu stärken.

Außerdem hoffen wir, dass wir praktikable Lösungen finden, die es den Kindern und Jugendlichen ermöglicht, während dieser Zeit Zugang zu Online-Lernkursen und zu akademischer Unterstützung zu bekommen, denn sie haben weder Zugang zu WiFi noch Handys oder Laptops. Unser Online-Lernprogamm fördert das Lesen der Kinder.

Heißer Tipp: 9Miles verfügt über einige soziale Projekte und betreut die Gebiete in und um Kapstadt, Elands Bay und St. Francis Bay. Wenn du 9Miles helfen möchtest, kannst du zum Beispiel als Freiwilligenhelfer deine Unterstützung anbieten.

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