In den letzten Jahren hat sich auch in Kapstadt und in ganz Südafrika eine wachsende Street-Art-Szene rund um das Kunstgenre entwickelt, während sich
Street-Art in den USA und Europa bereits seit Jahrzehnten großer Beliebtheit erfreut.
In vielen Ecken der ehemals verschrienen Stadtteile Woodstock und Salt River sieht man heute bunte Kunstwerke an den Wänden der Häuser. Früher wurden diese Stadtteile aufgrund der Armut, der Banden und der Kriminalität gemieden. Heute hat Kunst diese Stadtteile wiederbelebt und ihnen dadurch ein ganz neues Image verpasst. Es sind nicht nur hübsch anzusehende bunte Bilder, die aus den grauen und teils in die Jahre gekommenen Häuser kleine Kunstwerke machen. Nein, jedes Graffiti erzählt auch eine Geschichte und hat eine Botschaft. Es geht unter anderem um Umweltschutz, Rassismus und Menschenrechte. Die Straßenkunst zieht jährlich Tausende von Touristen an. Es werden geführte Street-Art Touren angeboten und die Graffitis dienen gerne als Kulisse für den Instagram-Account oder Filme. Inzwischen ist in Kapstadt und Südafrika eine Street-Art-Szene entstanden und es findet einmal im Jahr das „International Public Art Festival“
(IPAF) in Salt River statt. Die Ausrichtung der Themen liegt bei Nachhaltigkeit, Umwelt, Technologie und Zukunft.
Ein wachsender Markt für Künstler und Marken
Angesagte Marken wie zum Beispiel Nike oder Adidas haben längst erkannt, dass Werbung nicht mehr nur auf Flyern oder Plakaten stattfindet, sondern vielmehr als Street-Art-Kunst auf Häuserwänden. Die Agentur „BAZ-ART“ mit Sitz in Salt River, arbeitet seit Jahren erfolgreich in diesem Bereich. Sie dient als Vermittler zwischen Künstlern und Marken, organisiert seit 2017 einmal im Jahr ein Street-Art-Festival, dass in seiner Art das größte in Südafrika ist und setzt sich für Projekte wie Malkurse für benachteiligte Kinder in Brennpunkten ein. Welche Bedeutung die Kunst inzwischen für die Stadtteile hat, erzählt uns Dennis Molewa von BAZ-ART, der bei der Planung und Umsetzung des Festivals mitarbeitet.
Ein Lichtblick trotz Corona
Zum Auftakt des diesjährigen Festivals hat der Schweizer Künstler „Saype“ mit dem Kunstprojekt „Beyond Walls“ (übersetzt „Jenseits der Mauern“) ein besonderes Zeichen gesetzt. Kapstadt bildete für ihn die 9. Etappe auf seiner Kunstreise, die im Juni 2019 in Paris startete. Er verwandelte drei riesige Rasenflächen in Sea Point und in den Townships Philippi und Langa mit abbaubarer Kohle- und Kreidefarbe, zu Kunstwerken. Er ist bekannt für seine Gemälde auf Gras und gehört zu den
bekanntesten Vertretern der internationalen Szene. Seine sich umschließenden Hände sollen Versöhnung zwischen den Kulturen - wie es sich Nelson Mandela wünschte - symbolisieren.
Hintergrund des International Public Art Festivals
„Beim Street-Art-Festival, dass einmal im Jahr im Februar stattfindet, geht es uns darum, Künstlern die Möglichkeit zu geben, sich zu treffen, auszutauschen und eine Plattform zu geben, sich einem Publikum zu präsentieren“, sagt Dennis Molewa.
Fotos: BAZ-ART
"Uns hat es gefreut, dass in diesem Jahr, bedingt durch Corona, viele Einheimische zum Festival gekommen sind, die den Stadtteil nicht kennen und sonst nicht besuchen“, sagt er.
Oftmals, sagt der Marketingexperte, würden sich beim Festival Kooperationen zwischen Künstler oder Künstler und Marken ergeben und es sei das größte dieser Art in ganz Afrika. Und Besucher hätten die Möglichkeit, sich bei einer der Touren, entweder zu Fuß oder in diesem Jahr auch auf dem Fahrrad, einen Eindruck von der Arbeit der Künstler zu verschaffen. Seit dem ersten Festival im Jahr 2017 sei es jedes Jahr um immer mehr Künstler gewachsen.
„Vor Corona hatten wir jedes Jahr zahlreiche Künstler aus den verschiedensten Teilen Europas und der Welt da. In diesem Jahr lediglich Drei: Saype aus der französischen Schweiz, ein Italiener und eine Brasilianerin“, erzählt er.
Street-Art schafft Erinnerungen
Während des rund einwöchigen Festivals bemalen die Street-Art-Künstler, die aus ganz Afrika anreisen, ausgewählte Wände und setzte sich mit den Menschen und deren Geschichte sowie des Stadtteils Salt Rivers auseinander.
„Uns war es als Veranstalter sehr wichtig, dass die Street-Art-Künstler mit ihrem Kunstwerk Bezug auf den Stadtteil nehmen und dessen kulturellen Hintergrund und seine Geschichte kennen“, betont Dennis Molewa.
Die Kunstwerke, sagt Molewa, sollen den Menschen helfen, sich durch die
dargestellten Motive an ihre Geschichte zu erinnern. Und sie sollen einen Raum schaffen, in dem sich die Menschen gerne treffen und Plätzen, die sonst karg und trist aussehen, Freundlichkeit verleihen. Inzwischen gebe es, so seine Einschätzung, bereits über 100 Kunstwerke im gesamten Stadtteil. Der Stadtteil beheimate heutzutage Menschen unterschiedlicher Religionen, sei aber geschichtlich gesehen sehr muslimisch geprägt. Hier würden auch zwei sehr alte Moscheen stehen.
Kultureller Austausch durch die Kunst
Eines dieser Kunstwerke von diesem Festivaljahr ist das von den Künstler Dbongz
Mahlathi und Vivasage Sie haben sich mit Kulsum, einer muslimischen Frau im Viertel getroffen. Nach vielen ausführlichen Gespräche mit ihr über ihr Engagement in der Nachbarschaft, stand für sie fest, der Frau ein Denkmal zu setzen und ihr Abbild an eine Hauswand zu malen. Es symbolisiert sie als eine Mutter, aber gleichzeitig auch als eine starke Frau. Dabei gehören die beiden Männer dem christlichen Glauben und haben damit einen ganz anderen kulturellen Hintergrund als die Frau ihres Bildmotives. Ein Treffen zwischen diesen Religionsgruppe wäre sonst nie entstanden, hätte es das Festival und den kulturellen Austausch nicht gegeben.
„Die Street-Art-Kunst baut Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft“, ist sich Dennis Molewa nach seiner langjährigen Erfahrung in diesem Bereich sicher.
Vivasage & Dbongz Mahlathi und Street-Art-Künstlerin Haaniem Davids
Fotos: BAZ-ART
Mehr Männer als Frauen
„Es gibt noch mehr Männer als Frauen unter den Street-Art-Künstlern, aber die Frauen ziehen nach“, sagt Molewa. Eine der Künstlerinnen, die dieses Jahr beim Festival mit dabei war, ist Haaniem Davids. Für sie war es, wie sie selbst sagt, eine Ehre mit so vielen verschiedenen Künstler an diesem Projekt mitzuwirken.
„Die Street-Art-Szene in Südafrika wächst auf jeden Fall“, sagt die 20-Jährige. Ihrer Meinung nach, müsste aber gerade die Frauen in diesem Bereich noch stärker gefördert werden.
Haaniem Davids Foto: BAZ-ART
Heißer Tipp: Wenn Du jetzt neugierig geworden bist und mehr zu den Kunstwerken in Salt River erfahren willst, lese das Interview mit Haaniem Davids und besuche 13x Museen in Kapstadt.
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