Mietstundungen, Ladenschließungen und enorme Wertverluste bei Luxusimmobilien in Kapstadt sind die Zwischenbilanz der COVID-19 Krise.
Durch die weltweite Corona-Krise und den wochenlangen strikten Lockdown im ganzen Land, hat sich auch der Immobilienmarkt in Südafrika verändert. Der 41-jährige Immobilienmakler Michael Bauer ist Geschäftsführer von SAProperty.com. Die Firma wurde 2005 gegründet, beschäftigt 60 Mitarbeiter und deckt neben Kapstadt auch die Städte Johannesburg und Pretoria ab. Ihr Portfolio besteht aus privaten und gewerblichen Immobilien sowie Ferienimmobilien. Ihre Kunden sind international.
Vor 17 Jahren ist Bauer als Student nach Kapstadt gekommen, hat sich verliebt und ist geblieben. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Blouberg bei Table View. Inzwischen hat er mehrere Krisen wie die Globale Finanzkrise 2008/2009 und die Wasserkrise 2018 in Südafrika miterlebt und gelernt, mit den gegebenen Umständen vor Ort zurechtzukommen. Bis zum 1. Juni hat Bauer, der ursprünglich aus dem Stuttgarter Raum kommt, im Homeoffice gearbeitet und dabei untern anderem auf Videokonferenzen zurückgegriffen. Auch seine Mitarbeiter waren während der letzten Wochen zu Hause, was für die Makler schwierig, aber für die Immobilienverwaltung weitaus leichter handhabbar war. Seit ein paar Tagen fährt er wieder ins Büro in der Kapstädter Innenstadt.
1. Inwieweit hat sich die Lage seit Corona verändert?
Es ist schwieriger geworden, aber es gibt noch einen Markt, sowie Angebot und Nachfrage. Es ist jetzt nur eine Frage des Preises. Kurzfristig wird es eine massive Korrektur geben. Langfristig ist die Prognose eher positiv, da die Nachfrage immer noch höher ist als das Angebot. Es ist nicht die erste Krise in Südafrika und sicherlich auch nicht die letzte. Wir wussten, dass sie auch nach Südafrika kommt. Daher haben wir uns darauf vorbereitet. Wir haben auch schon andere Krisen überlebt und wir werden auch diese Krise meistern. Als Ländermarkt ist Südafrika riskant und daher auch interessant. Es ist immerhin noch ein Schwellenland. Die Wirtschaftstärke, Absatzmarktgröße, Kaufkraft und die Lebenstandards sind nicht mit denen in Deutschland oder Europa vergleichbar. Aber das größte Problem derzeit ist die Ungewissheit durch die stufenweise Lockerung des Lockdowns.
2. Wie viele Anfragen hattet ihr vor Corona und wie viele habt ihr jetzt?
Während des Lockdowns waren es um die 75% weniger Anfragen. Es waren mehr private Anfragen als gewerbliche. Häufig für Wohnimmobilien. Inzwischen sind wir auch fast wieder auf dem Niveau wie vorher, doch das Problem sind die Kaufkraft und die Finanzierungsmöglichkeiten, da Banken in der Endkundenfinanzierung die Kriterien stark verschärft haben. Es gibt schon viele, die mieten und kaufen wollen, aber nicht wissen, ob sie im nächsten Monat noch einen Job haben.
3. Gibt es Menschen, die aufgrund der Corona-Krise Probleme haben, ihre Miete noch zu bezahlen?
Ja, natürlich. Wir verwalten ein großes Portfolio an Mietobjekten und Gebäude im Bereich Wohn- und Gewerbeimmobilien. Vor dem Lockdown haben 81,52% der Mieter pünktlich zum 1. des Monats bezahlt, im April nur noch 75,87% und im Mai nur noch 63,75%. Viele Mieter mussten nämlich ihre Mieten stunden, da ihre Gehälter gekürzt wurden oder sie ihren Job verloren haben. Auch die Gebäudeverwaltung hat es einigermaßen gut überstanden – die Umlagen wurden noch bezahlt, aber es ist schwieriger geworden das Geld von den Kunden einzusammeln und größere Instandhaltungsmassnahmen wurden gestoppt oder verschoben.
4. Werden durch Corona mehr gewerbliche Immobilien frei und wie sieht es mit dem Verkauf von B&Bs und ähnlichem aus? Kommen da jetzt mehr?
Ja, auf jeden Fall. Derzeit sind es noch nicht so viele, aber viele Hotels, Restaurants, B&Bs, sowie viele Einzelhändler werden die Krise nicht überleben. 80% der B&Bs bieten ihre Unterkünfte jetzt als Dauerwohnungen für Leute hier an. Wir erwarten bei den gewerblichen Immobilien viele Insolvenzen bzw. Zwangsverkäufe in den nächsten zwei Quartalen.
5. Macht es Sinn, jetzt in der Corona-Krise eine Wohnung oder ein Haus in Kapstadt zu kaufen?
Ja, absolut. Zum einen ist der schwache Wechselkurs von Vorteil - der Rand ist gesunken, zum anderen der hohe Preisverfall. Hinzu kommen die niedrigen Zinsen seit mehr als 50 Jahren. Der Leitzins liegt jetzt bei 7,25 %. Machen wir mal ein Beispiel. Wenn ein Käufer vor der Corona-Krise ein Budget von 100.000 Euro zur Verfügung hatte, waren das umgerechnet circa 1,4 Millionen Rand. Für diese Preisklasse gab es kaum Immobilien in der Innenstadt – wenn, dann höchstens ein Studioapartment. Jetzt hat der Käufer mit dem gleichen Budget mehr Rand zur Verfügung – ungefähr 1,95 Millionen. Damit kann er ein Objekt erwerben, was vorher vielleicht 2, 5 Millionen Rand gekostet hat und nun auf 1,9 Millionen Rand gesunken ist. Das ist jetzt eine Ein- bis Zweizimmerwohnung. Wenn du dann noch vor Ort finanzierst, haben sich die Kosten der Finanzierung um circa 35 % verringert.
6. Wie stark sinken die Preise für Immobilien?
Sie sinken. Allerdings ist es schwierig zu sagen, um wie viel. Wir sind noch nicht am Tiefpunkt angekommen. Kapstadt wird in ganz Südafrika den höchsten Preisverfall erfahren, weil hier die Preise am schnellsten gestiegen sind und der Wohnraum einfach zu teuer geworden ist. Die Schätzungen liegen bei 14 bis 50%. Im Luxussektor ab 3 Millionen Rand und im Superluxussegment ab 10 Millionen Rand pro Immobilie. Das sind die höchsten Rückgänge.
7. Finden Besichtigungen weiter statt und gibt es Menschen, die zum Beispiel nur von Fotos und Videos Immobilien kaufen?
Ja, es finden auch Besichtigungen vor Ort statt. Aber wir haben auch schon vor der Krise Video- und Facetime-Besichtigungen gemacht. Es gibt durchaus Menschen, die Immobilien auch aufgrund von nur diesen virtuellen Besichtigungen kaufen.
8. Wer sind jetzt gerade deine Kunden?
Vor Corona waren es viele Touristen aus der ganzen Welt, derzeit sind es nur Südafrikaner. Die Touristen haben ja auch die Krise in ihrem Heimatland und die werden sich wahrscheinlich erst wieder zu Beginn der Saison auf Südafrika konzentrieren und hier was kaufen.
9. Wie schätzt Du die wirtschaftlichen Folgen durch Corona im Bezug auf den Immobilienmarkt und den Tourismus ein?
Die wirtschaftlichen Folgen sind extrem, insbesondere die bedingt durch den verlängerten und gestuften Lockdown. Beide Branchen hängen eng zusammen. Kapstadt ist zum Beispiel sehr vom Tourismus abhängig. Stärker als Johannesburg und Pretoria. Man denke nur an die Hotel- und die Restaurantbranche. Ohne Tourismus sind diese Bereiche weitestgehend tot. Wenn zum Beispiel AirB&Bs wegfallen, wird der Mietmarkt überflutet und die Mietpreise sinken. Und die Immobilienpreise sinken dann natürlich auch als Folge dessen. In Johannesburg ist der Tourismus dagegen im Vergleich ziemlich klein. Die Provinz Gauteng ist finanziell stärker, da dort mehr Leute leben und die Finanzmärkte sind.
10. Wie wird sich der Immobilienmarkt verändern? Gibt es Gewinner und Verlierer der Krise?
Die Krise hat uns wirtschaftlich besonders hart getroffen. Wir mussten vorher schon mit den wirtschaftlichen Folgen des vorherigen Präsidenten kämpfen. Da waren die Wasserkrise und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage (der „Downgrade“) bedingt durch die hohe Verschuldung des Landes. Und jetzt eben COVID 19. Es wird mindestens drei Jahren dauern, bis sich die Wirtschaft von der jetzigen Krise erholt hat. Und so muss die Regierung derzeit extreme Maßnahmen und Reformen einführen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Immobilienmarkt wird sich kurz- oder mittelfristig langsam wieder erholen. Aber es wird immer schwieriger für Südafrikaner, Eigentum zu erwerben. Langfristig gesehen, ist die Prognose aber gut. In der Zukunft werden die Städte in und um Kapstadt bedingt durch die Zuwanderung weiter wachsen. Der daraus resultierende Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum und das begrenzte Angebot an neuem Wohnraum, wird die Preise wieder nach oben treiben. Im Hinblick auf Ferienimmobilien hat Kapstadt insbesondere einen Vorteil gebenüber Spanien oder Südfrankreich. Vergleichbare Immobilien kosten nur ein Bruchteil und die Lebenshaltungskosten sind auch geringer. Weitere Vorteile sind unter anderem die gleiche Zeitzone, die verdrehten Sommer-Winter- Jahreszeiten und die Direktflüge über Nacht. Diese Aspekte haben auch die letzten Nachteile ziemlich beseitigt.
11. Was hoffst Du für die Zukunft?
Ich hoffe, dass unsere Firma weiterwächst und dass wir auch weiterhin für unsere Kunden da sind. Wir sind schon 15 Jahre auf dem Markt und das hier ist schon unsere dritte Krise, nach der Wasserkrise und der Verschuldung. In jeder Krise steckt auch eine Chance. Für uns bedeutet das konkret, dass wir neue Immobilienprojekte und BestandsImmobilien zu guten Preisen erwerben und neue Kunden anwerben.
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